FREIWIRTSCHAFT

Nr. 6 Mai/Juni 2004 

Rundbrief gegen die Verwässerung der Erkenntnisse Silvio Gesells und für eine Konzentration auf das uns heute schon Mögliche

 


 

Liebe Mitstreiterinnen, liebe Mitstreiter!

Vorab ein Kurzbericht von unserer ersten Jahreshauptversammlung am 15. Mai in Kassel.

Hermann Benjes konnte 16 Mitglieder und einen Gast begrüßen. Johannes Jenetzky stellte sich für die Tagungsleitung zur Verfügung und Michael Musil übernahm die Protokollführung.

In den Berichten der Vorstandmitglieder kamen schwerpunkmäßig zur Sprache:

• Künftig monatliche Presseerklärung

• diverse Faltblätter für Information und Werbung wurden verbessert bzw. neu erstellt

• auf die Notwendigkeit einer gemeinsamen klaren Linie bzgl. unserer Ziele und deren Darstellung wurde hingewiesen

• für den Herbst dieses Jahres ist ein „freiwirtschaftliches" Seminar für interessierte Mitglieder geplant

• beim Bayerischen Rundfunk wurde eine „Wörgl"-Sendung initiiert

• einige Mitglieder engagieren sich in regionalen Tauschkreisen. 

Immer wieder machen wir die Erfahrung, dass die „Politik blockiert". Deshalb wollen wir unsere Präsenz verstärken. Für „Krisenfälle" soll eine Beratergruppe zusammengestellt werden. Damit wir für den Fall der Not vorbereitet sind und wissen, was schnell getan werden kann und muß. Besonders deutlich wurde registriert, dass außer uns niemand auf die Kernforderungen der NWO so klar, umfassend und kompakt hinweist.

Bisherige Erfahrungen mit Kontakten zu Tauschringen zeigen, dass hier vergebene „Liebesmühe" waltet und diese Kontakte unsererseits weiterhin wenig hoffnungsvoll erscheinen.

Ein Vergleich des Wörgler Freigeldes mit den heutigen „Regio-Währungen" ergab, dass das Wörgler Freigeld den Namen Freigeld als einziges verdient.

Erst wenn für dieses „Ersatzgeld" auch Annahmezwang besteht und damit auch Steuern und Abgaben bezahlt werden können, dann ist es Freigeld.

Soweit zur Jahreshauptversammlung.

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Herbstseminar 

Für Sept./Okt. dieses Jahres ist im Raum Halle ein Wochenendseminar geplant. Herr Jenetzky will planen und organisieren. (Näheres im nächsten Rundbrief)

 

Vorträge Benjes im Raum Augsburg und Wemding 

Im Raum Augsburg fand im Mai ein Vortrag auf Veranlassung eines kleinen mittelständischen Unternehmens statt. Der zahlreiche Besuch hat bestätigt, daß trotz Erhebung eines Unkostenbeitrages die Methode der persönlichen Einladung am effektivsten ist. Das Publikum war sehr gemischt, was auch in den Fragestellungen der Zuhörer zum Ausdruck kam. Es war deutlich zu spüren, daß die Frage nach Alternativen zu unseren heutigen (im Grunde uralten) Problemen bei den Menschen immer drängender wird und wir hier auf größtenteils offene Ohren stoßen. Die Folgeveranstaltung in Wemding (Veranstalter IGM) war trotz freien Eintritts nur mäßig besucht; Die Fragen und Diskussion zuhörerkreisbedingt eher mäßig. Einladung erfolgte überwiegend nur durch Inserate. Beide Veranstaltungen dienten natürlich auch der Kontakfindung und Kontaktpflege unsererseits.

 

Zu unserer Standortbestimmung: Was ist die NWO? 

Zitat von Silvio Gesell aus dem Vorwort zur dritten Auflage seiner NWO:

„Die Wirtschaftsordnung, von der hier die Rede ist, kann nur insofern eine natürliche genannt werden, als sie der natur des Menschen angepasst ist. Es handelt sich also nicht um eine Ordnung, die sich etwa von selbst, als Naturprodukt einstellt. Eine solche Ordnung gibt es überhaupt nicht, denn immer ist die Ordnung, die wir uns geben eine Tat, und zwar eine bewusste und gewollte Tat.

Den Beweis, dass eine Wirtschaftsordnung der Natur des Menschen entspricht, liefert uns die Betrachtung der menschlichen Entwicklung. Dort, wo der Mensch am besten gedeiht, wird auch die Wirtschaftsordnung die natürlichste sein. Ob eine in diesem Sinne sich bewährende Wirtschaftsordnung zugleich die technisch leistungsfähigste ist und dem Ermittlungsamt Höchstzahlen liefert, ist eine Frage minderer Ordnung. Man kann sich ja heute leicht eine Wirtschaftsordnung vorstellen, die technisch hohe Leistungen aufweist, bei der aber Raubbau am Menschen getrieben wird. Immerhin darf man wohl blindlings annehmen, dass eine Ordnung, in der der Mensch gedeiht, sich auch in bezug auf Leistungsfähigkeit als die bessere bewähren muß. Denn Menschenwerk kann schließlich nur zusammen mit dem Menschen zur Höhe streben…"

Dieses Zitat macht uns deutlich, dass es für unsere Arbeit sehr hilfreich sein kann, auf die Ausgänge und Grundlagen unserer Bemühungen immer wieder und gleich zu Beginn von Kontakten hinzuweisen.

Geht es doch im Grunde und letztendlich um die Freiheit eines jeden Menschen.

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Beilage A von Eckhard Grimmel

20. Juni: „Tag des Kopfgeldes"

Mit dieser Beilage wollen wir uns den Kern unserer praktischen Zielvorstellung wieder ins Gedächtnis zurückholen. Je länger und schwieriger ein Weg erscheint und ist, umso deutlicher und klarer muß das Ziel konkretisiert sein und immer wieder „visualisiert" werden.

Dazu ist die „Beilage" unseres Erachtens bestens geeignet.

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Beilage B von Klaus Müller: 

VIX PERVENIT

Die berühmte Enzyklika Pabst Benedikts XIV. gegen die Wuchersünde des Zinses vom 1. November 1745.

Wenn auch diese Enzyklika bei der menschen- und völkerverderbenden Beschreibung und Anprangerung der Folgen des Wucher- (Zins) Wesens stehen bleibt und sich hauptsächlich auf Appelle an das „christliche" Gewissen beschränkt, so ist sie doch ein Hinweis darauf, das auch unsere heutigen Probleme immer noch auf den damals schon erkannten Ursachen beruhen.

 

Mit herzlichen Grüßen Ihr Mitstreiter

Klaus Müller

Meitingen, 15. Juni 2004

 


Erich Kästner

Das Märchen von der Vernunft  

Es war einmal ein netter alter Herr, der hatte die Unart, sich ab und zu vernünftige Dinge auszudenken. Das heißt: zur Unart wurde seine Gewohnheit eigentlich erst dadurch, daß er das, was er sich jeweils ausgedacht hatte, nicht für sich behielt, sondern den Fachleuten vorzutragen pflegte.

Da er reich und trotz seiner plausiblen Einfälle angesehen war, mußten sie ihm, wenn auch mit knirschenden Ohren, aufs geduldigste zuhören. Und es gibt gewiß für Fachleute keine ärgere Qual als die, lächelnden Gesichts einem vernünftigen Vorschlage zu lauschen. Denn die Vernunft, das weiß jeder, vereinfacht das Schwierige in einer Weise, die den Männern vom Fach nicht geheuer und somit ungeheuerlich erscheinen muß. Sie empfinden dergleichen zu Recht als einen unerlaubten Eingriff in ihre mühsam erworbenen und verteidigten Befugnisse.

Was, fragt man sich mit ihnen, sollten die Ärmsten wirklich tun, wenn nicht sie herrschten, sondern statt ihrer die Vernunft regierte! Nun also.

Eines Tages wurde der nette alte Herr während einer Sitzung gemeldet, an der die wichtigsten Staatsmänner der Erde teilnahmen, um, wie verlautete, die irdischen Zwiste und Nöte aus der Welt zu schaffen. "Allmächtiger!" dachten sie. "Wer weiß, was er heute mit uns und seiner dummen Vernunft wieder vorhat!" Und dann ließen sie ihn hereinbitten. Er kam, verbeugte sich ein wenig altmodisch und nahm Platz.

Er lächelte. Sie lächelten. Schließlich ergriff er das Wort. "Meine Herren Staatshäupter und Staatsoberhäupter", sagte er, "ich habe, wie ich glaube, einen brauchbaren Gedanken gehabt; man hat ihn auf seine praktische Verwendbarkeit geprüft; ich möchte ihn in Ihrem Kreise vortragen. Hören Sie mir, bitte, zu. Sie sind es nicht mir, doch der Vernunft sind Sie's schuldig." Sie nickten, gequält lächelnd, mit ihren Staatshäuptern, und er fuhr fort: "Sie haben sich vorgenommen, Ihren Völkern Ruhe und Frieden zu sichern, und das kann zunächst und vernünftigerweise, so verschieden Ihre ökonomischen Ansichten auch sein mögen, nur bedeuten, daß Ihnen an der Zufriedenheit aller Erdbewohner gelegen ist. Oder irre ich mich in diesem Punkte?" "Bewahre!" riefen sie. "Keineswegs! Wo denken Sie hin, netter alter Herr!" "Wie schön!" meinte er. "Dann ist Ihr Problem gelöst. Ich beglückwünsche Sie und Ihre Völker. Fahren Sie heim und bewilligen Sie aus den Finanzen Ihrer Staaten, im Rahmen der jeweiligen Verfassung und geschlüsselt nach Vermögen, miteinander einen Betrag, den ich genauestens habe errechnen lassen und zum Schluß nennen werde! Mit dieser Summe wird folgendes geschehen: Jede Familie in jedem Ihrer Länder erhält eine kleine, hübsche Villa mit sechs Zimmern, einen Garten und einer Garage sowie ein Auto zum Geschenk. Und da hintendrein der gedachte Betrag noch immer nicht aufgebraucht sein wird, können Sie, auch das ist kalkuliert, in jedem Ort der Erde, der mehr als fünftausend Einwohner zählt, eine neue Schule und ein modernes Krankenhaus bauen lassen. Ich beneide Sie. Denn obwohl ich nicht glaube, daß die materiellen Dinge die höchsten irdischen Güter verkörpern, bin ich vernünftig genug, um einzusehen, daß der Frieden zwischen den Völkern zuerst von der äußeren Zufriedenheit der Menschen abhängt. Wenn ich eben sagte, daß ich Sie beneide, habe ich gelogen. Ich bin glücklich." Der nette alte Herr griff in seine Brusttasche und zündete sich eine kleine Zigarre an. Die übrigen Anwesenden lächelten verzerrt. Endlich gab sich das oberste der Staatsoberhäupter einen Ruck und fragte mit heiserer Stimme: "Wie hoch ist der für Ihre Zwecke vorgesehene Betrag?"

"Für meine Zwecke?" fragte der nette alte Herr zurück, und man konnte aus seinem Ton ein leichtes Befremden heraushören. "Nun reden Sie schon!" rief das zweihöchste Staatsoberhaupt unwillig. "Wieviel Geld würde für den kleinen Scherz gebraucht?"

"Eine Billion Dollar", antwortete der nette alte Herr ruhig. "Eine Milliarde hat tausend Millionen, und eine Billion hat tausend Milliarden. Es handelt sich um eine Eins mit zwölf Nullen." Dann rauchte er wieder an seiner kleinen Zigarre herum. "Sie sind wohl vollkommen blödsinnig!" schrie jemand. Auch ein Staatsoberhaupt. Der nette alte Herr setzte sich gerade und blickte den Schreier verwundert an. "Wie kommen Sie denn darauf?" fragte er. "Es handelt sich natürlich um viel Geld. Aber der letzte Krieg hat, wie die Statistik ausweist, ganz genau soviel gekostet!" Da brachen die Staatshäupter und Staatsoberhäupter in tobendes Gelächter aus. Man brüllte geradezu. Man schlug sich und einander auf die Schenkel, krähte wie am Spieß und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Der nette alte Herr schaute ratlos von einem zum andern. "Ich begreife Ihre Heiterkeit nicht ganz", sagte er. "Wollen Sie mir gütigst erklären, was Ihnen solchen Spaß macht? Wenn ein langer Krieg eine Billion gekostet hat, warum sollte dann ein langer Frieden nicht dasselbe wert sein? Was, um alles in der Welt, ist denn daran komisch?"

Nun lachten sie alle noch lauter. Es war ein rechtes Höllengelächter. Einer konnte es im Sitzen nicht mehr aushalten. Er sprang auf, hielt sich die schmerzenden Seiten und rief mit der letzten ihm zu Gebote stehenden Kraft: "Sie alter Schafskopf! Ein Krieg - ein Krieg ist doch etwas ganz anderes!"

Die Staatshäupter, der nette alte Herr und ihre lustige Unterhaltung sind völlig frei erfunden. Daß der Krieg eine Billion Dollar gekostet hat und was man sonst für denselben Betrag leisten könnte, soll, versichert eine in der "Frankfurter Neuen Presse" zitierte amerikanische Statistik, hingegen zutreffen.

 

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